„Die besondere Atmosphäre des Carnevale di Venezia hat mich in seinen Bann gezogen!”

Ein Fotofreund, der schon seit mehr als 10 Jahren den Carnevale fast jedes Jahr besuchte, versuchte mich immer wieder zu einer gemeinsamen Reise zu überreden. Doch ich war der Meinung mit den Fotos kann ich nichts anfangen, da diese Fotomotive schon überall veröffentlicht wurden. Erst im Jahr 2001 verbrachte ich eine Woche während der Karnevalszeit in Venedig und seit dem habe ich kein Jahr mehr auf den Besuch verzichtet. Schon am ersten Tag in Venedig wurde ich von dem „Fotofieber” angesteckt. Auf keinem Platz der Welt erlebte ich eine solche Atmosphäre wie auf dem Markusplatz in Venedig während des Karnevals. Und gute Fotos kommen bei jeder Diaschau, Wettbewerb oder Ausstellung an, auch wenn die Masken von Venedig sicherlich schon seit vielen Jahren tausendfach fotografiert wurden.

Inzwischen sind viele Freundschaften zwischen den Masken und mir, dem Reisefotografen, entstanden!

Ich war immer der Meinung, das die Masken venezianische Bürger sind, die damit Touristen in die Stadt locken wollten. Doch weit gefehlt. Die Masken, wie sich die Maskenträger selbst nennen, sind genauso verrückt, wie wir Fotografen. Sie reisen aus der ganzen Welt an, nur um sich in dem grössten „Freilufttheater” der Welt zur Schau zu stellen. Viele Deutsche, Österreicher, Schweizer und Franzosen sind dabei, die jedes Jahr wieder ihre neuesten Kostüme und Masken präsentieren. Denn eine Maske, die etwas auf sich hält, entwirft immer wieder neue Kostüme und fertigt sie in mühevoller Handarbeit meist selbst an. Inzwischen kenne ich fast alle Masken persönlich und wir freuen uns auf ein Wiedersehen beim nächsten venezianischen Karneval.

Einige Hintergrundinformationen zum Carnevale di Venezia:

Jedes Jahr zelebriert Venedig seinen Karneval. Goethe besuchte, Voltaire beschrieb, Napoleon verbot ihn, den „Carnevale di Venezia”. Fast 200 Jahre lang war er verschwunden, bis er 1979 von einigen Künstlern und Studenten wiederbelebt wurde. Seit diesem Zeitpunkt treiben wieder all die historischen Masken ihr närrisches Spiel. Venedig selbst, ist dazu Bühne und Kulisse für Tausende von Masken. Die einzigartige Atmosphäre des Karnevals in der Lagunenstadt zieht wiederum Fotografen aus der gesamten Welt nach Venedig.

Nun zu den Fototipps:

Tipp 1: Sprechen Sie die Masken an, die Sie fotografieren wollen!

Viele Masken sprechen deutsch oder englisch. Sie freuen sich, wenn man ein paar Worte mit Ihnen wechselt. Fragen Sie die Masken nach Ihren Visitenkarten, um Ihnen anschliessend auch die besten Fotos zuzusenden. Bedenken Sie, ohne die Masken, hätten wir Fotografen keine so schönen Motive und das sollte uns auch ein paar Bilder für unsere Modelle wert sein. Ich schicke allen Masken, mit denen ich länger fotografiere und von denen ich eine Visitenkarte erhalten habe, einige Fotos zu. Wenn ich sie dann im nächsten Jahr wiedertreffe, stehen sie mir noch viel lieber Modell und ich komme zu besseren Fotos.

Tipp 2 speziell für Fotografen mit Digitalkamera: Zeigen Sie den Masken Ihre Fotos auf dem Display!

Alle Menschen sehen sich gern Bilder von sich selbst und ihren Freunden an. Bei den Masken ist diese Eigenschaft noch stärker ausgeprägt, denn sie fahren jedes Jahr nach Venedig um fotografiert zu werden. Künstler leben vom Applaus und Masken von schönen Fotos von sich.

Tipp 3: Manchmal ist Geduld gefragt!

Wie häufig ist es mir schon passiert, das ich die Masken in einer wunderschönen Kulisse aufgestellt habe und gerade fotografieren wollte, als sich die Touristen nach vorne drängten und sich direkt neben die Masken stellten. Ich warte dann meist ab, bis die Touristen ihr Bild von ihrem Ehepartner mit den Masken geschossen haben und nach einem Foto wieder abziehen. So kann ich in Ruhe fotografieren. Meist gebe ich auch kleine Regie-Anweisungen an die Masken, die in der Regel dankbar dafür sind, denn im Ergebnis erhalten Sie bessere Fotos. Auch spreche ich die Masken freundlich an, wenn die Gesichtsmaske oder das Kostüm nicht ganz gerade sitzt. Die Masken können häufig die kleinen Fehler selbst nicht sehen und ärgern sich anschliessend beim Betrachten der Fotos zum Beispiel darüber, das die Augen nicht genau durch die Sehschlitze der Maske zu sehen sind.

Tipp 4: Verabreden Sie sich mit befreundeten Masken an interessanten Fotolocations oder gehen Sie einfach gemeinsam mit den Masken ein paar Schritte abseits aus dem Getümmel!

Wenn der Markusplatz voller Menschen ist, wird es immer schwieriger, dort die Masken isoliert von den Touristen zu fotografieren. Ein kleiner Trick ist in die Hocke zu gehen oder wie ich es häufiger mache, mich direkt auf den Boden zu legen und die Masken mit dem blauen Himmel als Hintergrund zu fotografieren. Die andere Alternative ist, sich mit einem Tele von 100 bis 300 mm auf Portraits von den Masken zu beschränken. Um die Masken in der interessanten Kulisse der venezianischen Bauten einzufangen, verabrede ich mich meist mit ihnen an anderen Locations, etwas abseits vom Markusplatz. Hier bieten sich beispielsweise die Plätze vor den Kirchen Salute, San Giorgio oder San Zaccaria an.

Tipp 5: Nutzen Sie vor allem die wunderschönen Lichtstimmungen am frühen Morgen!

Wer schon früh aus den Betten kommt, kann schon ab 7 Uhr wunderschöne Morgenstimmungen am Markusplatz einfangen. Meist sind auch einige Masken da und wenn nicht, bietet der Markusplatz auch andere Fotomotive. Ich habe mich in den vergangenden Jahren meist schon ganz früh morgens mit den Masken am Markusplatz verabredet, um Sie auf den Gondelstegen zu fotografieren. In der Morgendämmerung setze ich ein Stativ ein und fotografiere mit einer langen Belichtungszeit. Damit die Masken noch besser auf den Fotos herauskommen, leuchte ich sie während der Belichtung mit einer starken Taschenlampe an. Der Effekt ist, das die Gondeln durch den Wellengang und der langen Belichtungszeit Bewegungsunschärfe aufweisen und die Masken (wenn sie still stehen!) scharf abgebildet sind. Auch entsteht durch das warme Taschenlampenlicht und dem kühlen Blau des Meeres ein wunderschöner Komplementärkontrast bei den Farben.

Tipp 6: Auch abends und nachts bietet Venedig tolle Motive!

Im warmen Abendlicht bilden sich starke Schatten beim Säulengang des Dogenpalastes. Hier die Masken posieren lassen und die ovalen Schatten als Einrahmung des Bildes nehmen, gibt hervorragende Fotos. Auch nachts lohnt es sich mit Stativ und Kamera bewaffnet, mit oder ohne Masken, loszugehen. Die durch Hunderte von Lichtern angestrahlten Säulengänge rings um den Markusplatz geben nachts eine wunderschöne Kulisse für Maskenfotos. Auch hier strahle ich die Masken mit einer starken Taschenlampe an. Die malerischen Ecken von Venedig, nur beleuchtet durch einige alte Strassenlaternen, geben auch ohne Masken schöne Nachtaufnahmen ab.

Tipp 7: Mit oder ohne Blitz ist die Frage!

Fast eine Streitfrage unter den Fotografen, meine Antwort lautet: Es kommt darauf an. Maskenfotos wirken erst, wenn man die Augen auch sieht. Bei manchen Maskenträgern liegen die Augen weit hinter der eigentlichen Maske und bei ungünstigem Lichteinfall somit voll im Schatten. In solchen Fällen sollten Sie mit Aufhellblitz arbeiten. Manchmal hilft es aber auch, das Sie die Masken bitten, sich umzudrehen und in die Sonne zu schauen. Dann können Sie auch ohne Blitzgerät die Masken mit leuchtenden Augen einfangen. Wenn ich zusammen mit einem Freund fotografiere, helle ich die Augen, meist mit der goldenen Seite eines kleinen Faltreflektors, auf. Mein Freund hält den Faltreflektor und ich fotografiere und anschliessend umgekehrt.

Tipp 8: Filter lassen aussergewöhnliche Bilder entstehen!

Der Einsatz von Filtern ist in der Fotoszene ebenfalls heftig umstritten. Sicherlich gibt es auch viele kitschige Filter, die ein Foto nicht verbessern, doch manchen setze ich gerade bei dem Thema Karneval in Venedig sehr gern ein. Zu meiner Standardausrüstung gehört der Polfilter, mit dem ich den Himmel blauer und die Farben insgesamt kräftiger mache sowie störende Spiegelungen entfernen kann. Daneben bastelte ich mir selbst einen Filter. Einen normalen UV-Filter habe ich teilweise mit einer dünnen Schicht Vaseline versehen. Der goldene Schnitt (Schnittpunkt ca. zweidrittel senkrecht und zweidrittel waagerecht) blieb beim Filter ohne Vaseline, sodass das Hauptmotiv scharf und die Umgebung unscharf – leicht malerisch – auf dem Foto widergegeben wird.

Tipp 9: Fotografieren bei schlechtem Wetter!

Für mich als Fotografen gibt es eigentlich kein schlechtes Wetter, nur die falsche Kleidung oder einen mangelnden Schutz für die Kamera. Meist habe ich zur Karnevalszeit fast nur Sonnenschein gehabt. Doch viele gute Fotos sind vor allem auch bei Nebel entstanden. Die Masken im Nebel wirken mystischer und damit passender in dieser, im Verfall befindlichen Umgebung. Selbst im strömenden Regen, den ich nur mal ganz kurz erlebt habe, sind tolle Fotos von Spiegelungen der Lichter am Markusplatz in den Pfützen entstanden.

Tipp 10: Venedig bietet viel mehr Motive als nur die Masken!

Gondeln sind ein Muß für jeden Venedigfotografen. Egal ob während der Fahrt auf den Kanälen, als Ausschnitt beim Gondelhafen oder als Spiegelung im Wasser. Das Licht, welches in die kleinen Gassen am späten Nachmittag hineinströmt, gibt wundervolle Studien von Licht und Schatten. Und die aussergewöhnliche Architektur hat auch ihren eigenen fotografischen Reiz.

Tipp 11: Burano ist einen Ausflug wert!

Als ich das malerische Fischerdorf auf der Insel Burano vor Venedig vor vielen Jahren das erste Mal entdeckte, faszinierte mich das Farbenspiel dieser idyllischen Häuser. Tagelang habe ich dort Stilleben fotografiert. Hier können Sie wunderbare Serien fotografieren und wen einmal die Sammelleidenschaft gepackt hat, den läßt sie so schnell nicht los. Ich habe Serien von Türen, Fenstern, Besen vor den farbigen Hauswänden und vieles mehr, bei mir im Diaarchiv. Auch Spiegelungen der bunten Häuser in den Kanälen sind lohnenswert.

Bevor ich schliesse, noch ein ganz grosses Dankeschön an meine Freunde, die Masken, die immer geduldig für mich Modell stehen!

 

Gut Licht wünscht Ihr Dirk Ludwig

 

Copyright: Dirk Ludwig